Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden 2025

März 18, 2025

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Viersenerinnen und Viersener,

wie steigt man in eine Rede ein, die man nie halten wollte? Vielleicht so:

Der heutige Ratsabend steht ganz im Zeichen des Haushaltes. Wenn man die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen der vergangenen Wochen zum Maßstab nimmt, erwartet uns nun wahrlich nichts dramatisches.
Und doch ist dieses Zahlenwerk unseres Haushaltes etwas, was bereits bei seiner Einbringung unserer Kämmerin die Schweißperlen auf die Stirn brachte. Ein Haushalt, der bereits mit einem Minus von über 18 Mio. € in die Beratungen ging, der uns heute mit fast 19 Mio. € Defizit nicht gerade weniger Sorgen bereiten müsste. Lediglich die Auflösung von Rücklagen, die in den vergangenen Jahren mühsam angespart wurden, führen dazu, dass wir einen formalen Zahlenausgleich herstellen können. Das Zahlenwerk ist eigentlich so, dass man es nur ablehnen kann.

Oder etwa doch nicht?
Sicherlich ein Grund, der dafür spräche, es zu tun, wäre die Tatsache, wenn in der Welt um uns herum nur der Viersener Haushalt solche Zahlen aufwiese. Werfen wir also einen Blick in die Kommunen um uns herum. Hier kam just zum Zeitpunkt der Einbringung unseres Zahlenwerkes der Münsteraner OB Markus Lewe, wie ich CDU Mitglied, mit einem interessanten Zahlenhinweis an die Öffentlichkeit: 37 Prozent aller Städte in Deutschland bekommen aktuell keinen ausgeglichenen Haushalt hin, weitere 47 Prozent nur mit der Hilfe von Auflösung von Rücklagen. Zählen wir die beiden Werte zusammen, sind wir bei 84 Prozent. Er ist Präsident des Deutschen Städtetages, er muss es wissen. In einem Beitrag in der FAZ führt er dazu aus:
„Damit sind viele Städte gezwungen, zu sparen. Einige haben schon konkrete Pläne, andere stehen vor harten Entscheidungen. Beispiel Heidelberg: Die Stadt muss im öffentlichen Nahverkehr, in der Kinderbetreuung, beim Personal und bei den freiwilligen Leistungen an Dritte sparen. Beschlossen ist die Streichung einer Buslinie und ein früherer Wechsel in das ausgedünnte Nachtnetz. Das Theater erhöht seine Eintrittspreise um insgesamt zehn Prozent, die Bäder teilweise um mehr als 20 Prozent.“
Wenn ich also den Präsidenten des Deutschen Städtetages, denn das ist Markus Lewe, hier als Kronzeugen anführen darf, wir sind mit unserer Haushaltslage wahrlich nicht alleine. Und wenn ich ihn schon einmal zitiere, will ich an dieser Stelle auch seinen Lösungsansatz nicht verschweigen: Ich zitiere aus dem gleichen Artikel „Die neue Bundesregierung müsse „große Räder“ drehen, damit die Kommunalfinanzen nicht zusammenbrechen. Notwendig sei eine Trendwende. Der Städtetag fordert etwa einen höheren Anteil der Städte an den Gemeinschaftssteuern wie der Umsatzsteuer. „Bei den Kommunen liegt etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, sie haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das passt nicht zusammen.“
Frau Wöltering, vielleicht eine interessante Ergänzung zu jener Forderung, die Sie in Ihrer Rede erhoben haben.
Aber vielleicht können wir uns ja in Viersen mit eigenen Anstrengungen und eigenen Entwicklungen positiv abheben?

Wenden wir uns dazu zunächst den Einnahmen zu . Erneut weist unser Haushalt eine sehr positive Entwicklung bei den Gewerbesteuereinnahmen aus . Dies ist umso erfreulicher, als die allgemeine Nachrichtenlage eher von Nachrichten geprägt ist, zumindest was das Thema Wirtschaft angeht, die deutlich negativ geprägt sind . Und Frau Wöltering weist in ihrer Rede auch darauf hin, dass die amerikanische Handelspolitik auch Risiken für unseren Haushalt birgt. Umso erfreulicher ist, dass sich in den vergangenen Jahren die Gewerbesteuereinnahmen so verstetigt und entwickelt haben, das auch in diesem Haushaltsentwurf die Kämmerei weiterhin von einer deutlichen Steigerung ausgeht. Es zeigt die zentrale Bedeutung dieses Themas für die finanzielle Prosperität unserer Stadt. Weithin von der Öffentlichkeit unbeachtet ist es uns offenbar gelungen, in Viersen eine Wirtschaftsstruktur zu etablieren, die sich bisher zumindest weitgehend gefeit vor den Rückschlägen , die um uns herum festzustellen sind, zeigt. Nicht zuletzt hierin ist auch einer der wichtigsten Gründe zu finden, warum wir auf Steuererhöhungen bisher verzichten konnten. Diese Entwicklung ermahnt uns, diesem Thema mehr Bedeutung in der Arbeit des Rates zuzumessen, als wir dies bisher getan haben.
Dies wird dieser Rat vielleicht nicht mehr in die Tat umsetzen können, aber ich wünsche dem uns nachfolgenden Mitgliedern des Rates , dass sie diese Tatsache nicht aus den Augen verlieren. Gleichzeitig muss man allerdings konstatieren, dass ein Ansatz , der darauf spekulieren würde , die finanziellen Belastungen der Haushalte 2025 und folgende weitgehend einzig aus einer weiterhin prosperierend steigenden Gewerbesteuereinnahmen zu refinanzieren, an dieser Stelle keineswegs angebracht ist . Die Defizite, die uns erwarten, haben eine derartige Größenordnung angenommen , dass dies über diese Quelle nicht refinanzierbar ist. Und deshalb müssten wir uns bei einer Sonderstellung der Stadt in Sachen Haushalt auch dem anderen Thema widmen, etwa dem Bereich der Ausgaben.

Wo findet denn nun das Geld Verwendung? Ich hörte neulich in einem Fernsehbeitrag einen Bürgermeister fragen, ob wir denn unnötigen Schmuck am Nachthemd hätten? Dieser Vergleich reizte mich so, dass ich ihn unbedingt in der heutigen Haushaltsrede unterbringen musste. Wie also fällt die Antwort auf diese Frage aus? Hier lohnt ein Blick in die Rede unserer Kämmerin, die uns zu Beginn der Beratungen einen exzellenten Überblick gab. Sie, liebe Frau Wöltering, konnten jedenfalls keinen unnötigen Schmuck am Nachthemd in unserem Haushalt finden, zumindest wenn ich Sie richtig verstanden habe.

Führen wir uns das einmal an einigen Beispielen vor Augen. Ich frage also nicht nur Sie hier im Rund, sondern alle in Viersen: Ist der Ausbau der OGS-Struktur unnötiger Schmuck am Nachthemd? Nun, wir werden in unserer Gesellschaft sicherlich einige Menschen finden, die diese Meinung vertreten werden. Ja, es wird uns nicht gelingen, alle Menschen in dieser Gesellschaft gleichzeitig anzusprechen und glücklich zu machen, und wenn ich ihnen etwas verraten darf, ich will es auch gar nicht. Der Ausbau der OGS ist uns zwar von außen vorgegeben, aber wir Christdemokraten stehen auch innerlich voll und ganz dazu. Das Problem, das ich mit diesem Ausbau habe, ist, dass die Finanzierung, die wir dafür bekommen, nicht auskömmlich ist. Hier wird wie so oft das Konnexitätsprinzip eben nicht eingehalten. So kommt es eben zu solchen Ergebnisse, wir Lewe sie beschreibt.
Nun, stellen wir uns trotzdem einmal kurz vor, wir würden aus finanziellen Gründen deshalb diesen Ausbau stoppen, um unseren Haushalt zu sanieren. Ich höre schon jetzt die Proteststimmen etwa aus dem Chor der IHK, weil wir mit dieser Maßnahme dazu beitragen würden, qualifizierten Menschen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Kompetenzen und Qualifikationen der Wirtschaft im erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen. Und mir als ausgebildetem Pädagogen kommt eher der Gedanke in den Sinn, dass es auch für unsere Kinder sehr sinnvoll ist, gemeinsam zu lernen und gemeinsam Aktivitäten zu entwickeln, dass die OGS Betreuung für die Entwicklung der Kinder viel Positives beitragen kann. Beides zusammen lässt mich zu der Überzeugung kommen, dass der OGS Ausbau nicht nur deshalb notwendig ist, weil wir ihn aus gesetzlichen Gründen ausbauen müssen, sondern weil es auch eine innerlich sinnvolle Maßnahme ist, die ganz wesentlich für die Weiterentwicklung unserer kommunalen Gesellschaft sein wird. Und deshalb hat auch für uns der Stellenausbau im aktuellen Stellenplan zumindest für alle Stellen, die den OGS Bereich betreffen, nie infrage gestanden.

Der aktuelle Haushaltsplan bietet darüber hinaus zahlreiche Argumente, ihm zuzustimmen. Wir investieren in unsere Stadt. Ich will an dieser Stelle niemanden mit der Auflistung der einzelnen Investitionsmaßnahmen langweilen. Aber eine Investition zum Beispiel in die Erneuerung und Renovierung von Turnhallen oder in die Renovierung und Erneuerung von Fußgängerzonen oder in die Umgestaltung einer Stadtteilbibliothek, das alles sind Investitionen, die dazu beitragen, dass die Menschen erkennen, dass die Steuerzahlungen sinnvoll angelegt sind . Gleichzeitig will ich nicht verhehlen, dass auch ich der Überzeugung bin , dass da noch mehr ginge. Und insofern ist die Entscheidung , die am heutigen Tage im Bundestag und am Freitag im Bundesrat ansteht, von wichtiger Bedeutung auch für unsere Stadt. Denn die Investitionen , die in den kommenden Jahren in unserer Stadt anstehen , ich will hier nur das Stichwort Wärmeplanung nennen, sind von einem solchen Umfang , dass sie aus normalen Haushaltmitteln auch in Viersen nicht bestreitbar sind. Doch bevor wir uns solchen großen Zahlen zuwenden, möchte ich noch zwei Dinge benennen, die mich persönlich besonders gefreut haben an diesem Haushalt. Wir haben am vergangenen Donnerstag im Fachausschuss eine Liste bekommen von Maßnahmen, die den Kinderspielplätzen in Viersen zugutekommen. 300.000€ können wir im Haushaltsjahr 2025 dafür bereitstellen. Das ist eine bedeutende Steigerung gegenüber den Vorjahren, aber es ist auch eine Steigerung die gut und richtig ist . Und dies sei mir erlaubt an dieser Stelle hier zu sagen, ebenso sind Haushaltsmittel vorgesehen, eine der wichtigsten Spielflächen, nämlich die am Konrad-Adenauer-Ring , in den kommenden Jahren grundlegend zu erneuern. Auch das ist eine Investition in unsere Stadt, die man nur unterstützen kann und die mit einem Nein zu diesem Haushalt ins Stocken geraten wäre.

Frau Wöltering, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede weitere gute Argumente in dieser Form gebracht, ich will sie hier nicht zur Langeweile aller wiederholen, ich will nur daran erinnern, dass eine Ablehnung des Haushaltes all das infrage stellen würde und ich mache mir große Sorgen, dass wir in Zukunft bei den Haushaltsbelastungen, die aktuell auf uns zukommen, zu solchen Maßnahmen gezwungen sein werden.

Dies alles zusammenfassend wird man vielleicht verstehen, dass unsere Fraktion zu diesem Haushalt 2025 heute Abend Ja sagen wird . Wir sind der festen Überzeugung , dass die Schwerpunkte , die dieser Haushalt setzt, richtig und verantwortungsvoll sind. Um bewusste Missverständnisse von vornherein vorzubeugen, dieses Urteil erfolgt in bewusster Würdigung der Lage, und nicht der Wünsche, die wir haben.
Meine Ausführungen dürfen nicht enden, ohne ein Wort des aufrichtigen Dankes an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, insbesondere in der Kämmerei , die in den vergangenen Wochen mit viel Fleiß und Engagement dazu beigetragen haben, dieses Zahlenwerk so zusammenzutragen , dass wir es in den vergangenen Wochen beraten und entscheiden konnten. Auch in diesem Jahr fühlten wir uns zu jederzeit gut unterstützt in der Beratung und hatten immer den Eindruck, von kompetenten und aufrichtigen Menschen beraten zu werden. Dies ist umso bemerkenswerter, als das wir, insbesondere die Mitglieder des Arbeitskreises Haushaltskonsolidierung, durchaus mitbekommen haben, dass die Anforderungen an sie in den letzten Jahren noch einmal deutlich höher geworden sind.

Und ganz am Ende kommt das Zitat, das normalerweise am Anfang steht. Angesichts der Weltlage erschien mir ein Zitat des großen Franzosen und Europäers Charles de Gaulle interessant und wichtig: „Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen , die es niemals geben wird“. Na, wenn das nicht auf unseren Haushalt zutrifft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.